Die Lokalisierung setzt ein tiefes Verständnis der Ausgangs- und Zielsprache sowie ihrer kulturellen Besonderheiten voraus. Der Aspekt kulturelle Sensibilität spielt hierbei eine ganz besonders wichtige Rolle – egal, ob wir es dabei mit Marketingtexten, Videountertiteln, Schulungsmaterialien oder anderen Textarten zu tun haben.
Vor diesem Hintergrund haben wir ChatGPT gefragt, wie das Programm einen Text auf kulturelle Sensibilität überprüfen würde, um so herauszufinden, wie fortschrittlich es in diesem Bereich zurzeit ist und wie wir es mithilfe von menschlichem Input weiter optimieren können. Schauen wir uns einmal das Ergebnis an.
Aufgabe für die KI: Erstelle eine Liste der Elemente, die ChatGPT bei der Überprüfung eines Textes auf kulturelle Sensibilität berücksichtigen würde.
Nachfolgend sehen Sie, welche Aspekte unter anderem von ChatGPT genannt wurden:
Der kulturelle Kontext hat schon immer eine wichtige Rolle gespielt, wenn es darum geht, Marketingbotschaften für verschiedene Zielgruppen so anzupassen, dass diese besser erreicht werden. KI kann in diesem Zusammenhang Bezüge zumindest zum Teil identifizieren. Doch ist sie auch in der Lage, das entsprechende Äquivalent für die jeweilige Zielsprache zu bestimmen? Wenn ein Quelltext beispielsweise einen Verweis auf American Football enthält, müssten wir streng genommen für Frankreich stattdessen Fußball, für Irland Gaelic Football und für Indien Cricket verwenden. Selbstverständlich sollten wir dabei genauestens darauf achten, dass die entsprechenden Anpassungen im jeweiligen Kontext auch Sinn ergeben. Das setzt Kreativität voraus.
Zudem müssen kulturelle Bezüge unter Umständen mit der Zeit erneut angepasst werden, z. B. aufgrund politischer oder tagesaktueller Ereignisse. KI kann dabei helfen, sicherzustellen, dass uns nichts entgeht. Der menschliche Input bleibt jedoch unverzichtbar. Wie geht man beispielsweise mit einem Text um, in dem das World Trade Center referenziert wird, wenn man diesen für den US-Markt lokalisiert? Oder mit einem Verweis auf Karikaturen, wenn der Quelltext für den französischen Markt angepasst werden soll? Ist KI dazu imstande, in diesem Fall vollkommen eigenständig die richtige Entscheidung zu treffen?
Nehmen wir einmal die USA und Kanada als Beispiel: Eine Marketingkampagne soll für den Markt in Quebec angepasst werden. Doch wie sieht es mit der Verwendung von Anglizismen aus? Sind diese für alle Kontexte zulässig? Die französischsprachigen Gebiete Kanadas haben ihre eigenen Ausdrücke und sprachlichen Gepflogenheiten. Insbesondere große Organisationen verwenden eine ganz spezifische Terminologie. So investiert das Quebec Board of the French Language beispielsweise viel Zeit und Ressourcen in die Einführung neuer französischer Wörter, die in offiziellen Kontexten verwendet werden sollen. KI kann in diesem Zusammenhang Begriffe identifizieren, die möglicherweise noch einmal überprüft werden müssen. Wir überlassen dies jedoch lieber unseren Sprachexperten.
Schaut man einmal auf die andere Seite des Atlantiks – also Frankreich, Belgien und die Schweiz – wird schnell deutlich, dass sich die französische Sprache in diesen Ländern auf andere Weise weiterentwickelt hat. Inklusives Schreiben wird dort zwar nicht offiziell anerkannt, erfreut sich jedoch trotzdem immer größerer Beliebtheit. Es ist beispielsweise insbesondere für all diejenigen Unternehmen interessant, die vorrangig ein jüngeres, politisch engagierteres Publikum erreichen möchten. Ob und inwiefern inklusive Sprache genutzt wird, hängt allerdings von der Meinung und Präferenz jedes einzelnen Kunden ab. Wir können KI zwar die Frage stellen, ob inklusives Schreiben verwendet werden sollte, doch ausgebildete Sprachexperten kennen die Antwort mit Sicherheit bereits.
Künstliche Intelligenz und Humor ist eine schwierige Kombination. KI kann Witze zwar identifizieren und versuchen, ein entsprechendes Äquivalent in der Zielsprache zu finden. Allerdings nur, wenn sie mit diesen Witzen bereits vertraut ist und speziell mit Inhalten trainiert wurde, die mehrsprachigen Humor enthalten. Daher besteht auch immer ein gewisses Risiko und die Ergebnisse können oftmals enttäuschend sein. Humor ist nach menschlichen Maßstäben stets subjektiv. Daher sollten wir die Bewertung solcher Inhalte keiner Maschine überlassen. Wie gehen wir beispielsweise mit Humor um, der auf Wortspielen basiert? Oder auf Diskrepanzen zwischen Bild und Text? Was passiert, wenn im Quelltext Slang verwendet wird? Insbesondere, da KI-Modelle häufig nicht mit solchen Inhalten trainiert werden. Wie bereits erwähnt, ist künstliche Intelligenz zumindest zum Teil in der Lage, potenziell Anstößiges zu erkennen. Wenn es jedoch um Humor und Witz geht, sollten Texte immer mit einer menschlichen Note versehen werden.
KI kann durchaus mit umfangreichem historischem Wissen überzeugen. Doch wie geht sie mit geschichtlich sensiblen Inhalten um? Wie gut eignet sich eine englische PowerPoint-Präsentation für französischsprachige Märkte? Wie müssen französische Inhalte aufbereitet werden, damit sie in unterschiedlichen französischsprachigen Ländern verwendet werden können? Was ist, wenn ein Text beispielsweise Bezug auf bestimmte historische Ereignisse nimmt? In ehemaligen französischen Kolonien in Afrika würden diese mit großer Sicherheit eine andere Wirkung auf den Leser haben als in Frankreich. Wie steht die US-amerikanische Bevölkerung heutzutage zu Christoph Kolumbus? Können bei einer Marketingkampagne für mandarinsprachige Regionen dieselben historischen Bezüge für den kantonesischen Markt verwendet werden?
Künstliche Intelligenz ist zweifellos in der Lage, Beeindruckendes zu leisten. Wenn Sie die richtigen Fragen stellen, kann sie Ihnen dabei helfen, die passenden Antworten zu finden. So können Sie beispielsweise mithilfe von KI eine Checkliste erstellen, die alle wichtigen Aspekte aufführt, die beachtet werden sollten, wenn lokalisierte Inhalte auf kulturelle Sensibilität überprüft werden. Diese kann wiederum Sprachexperten oder -dienstleistern als Grundlage dienen, um sicherzustellen, dass alle Texte optimal für die jeweilige Zielregion angepasst sind.